Ein paar Fragen speziell zu den Mobilen Diensten an Frau Sonja Schiff, MA Gerontologin

(Care.Consulting, Salzburg)

Steckbrief:

  • Master of Arts Gerontologie (Alternswissenschaft)

  • Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester

  • Lebensberaterin mit Schwerpunkt Alter und Älterwerden

  • Multiplikatorin des demenz balance-Modells©

  • 5 Jahre Erfahrungen in der kommunalen Politik

  • Bloggerin und Buchautorin

1.) Wie sehen Sie die Entwicklung der Pflege und der Mobilen Dienste in Österreich und speziell in Oberösterreich gerade in Bezug auf Wirtschaftlichkeit, Transparenz und die hohen Anforderungen?

Und da ist sie wieder, die Frage nach der Wirtschaftlichkeit und Transparenz. Sie kommt fast immer als Erstes, erst an dritter Stelle steht die Frage nach den Herausforderungen. Die Frage impliziert jaimmer den Gedanken „Wir können uns die Pflege der Menschen bald nicht mehr leisten!“ DiesenGedanken finde ich für unsere reiche Gesellschaft eine Schande und für mich als Babyboomer (ich bin eine von den vielen, die einmal Pflege brauchen wird!) eine Zumutung. Ich war einige Jahre politisch tätig und habe erlebt, wie im Bereich Straßen- Kanalbau, … in den politischen Ausschüssen innerhalb von 5 Minuten Millionen beschlossen wurden, ohne mit der Wimper zu zucken und ohne Diskussion. Dafür ist das Geld da. Aber geht’s um Soziales, geht’s um Pflege, rufen alle: „Nicht mehr leistbar!“ Esist eine Sache der Priorisierung, das Geld ist eindeutig da.

Für mich stehen andere Fragen im Vordergrund: Wie wollen wir mit den vielen alten Menschen heute und morgen umgehen? Was können wir tun, damit alte Menschen möglichst spät pflegebedürftig werden und möglichst lange selbständig zu Hause leben können? Wie werden wir in Zukunft Menschen für den Pflegeberuf begeistern können? Das sind die Fragen, um die es eigentlich geht. Wenn wir auf diese Fragen keine Antworten finden, dann haben wir als Gesellschaft bald wirklich ein Problem.

2.) Greifen die Maßnahmen der Ausbildungsoffensive und entschärfen diese den Pflegekräftemangel?

Ich bin grundsätzlich froh um jede Maßnahme, weil der auf uns zukommende Pflegepersonalmangel ist gewaltig. Aber mir passiert ehrlich gesagt viel zu wenig. Bei allen Maßnahmen geht es immer darum die augenblickliche Spitze an Problemen in den Griff zu bekommen. Was wir aber wirklich brauchen würden, wäre eine Systemänderung, Visionen für die Zukunft. Es geht nicht nur darum Menschen in die Pflegeausbildung zu bekommen, es geht vor allem darum ausgebildete Menschen in der Pflege zu halten. Und da bin ich wieder beim Thema Finanzierung. Im Bereich Altenpflege geht’s,aufgrund des Kostendrucks, immer mehr darum, Menschen in immer kürzerer Zeit körperlich abzufertigen, in der stationären wie in der mobilen Altenpflege. Der Druck ist enorm. Nur wer möchte so arbeiten? Wer soll sich bei dieser Aussicht für den Pflegeberuf interessieren? Warum soll jemand bei diesen Rahmenbedingungen im Pflegeberuf bleiben? Ausbildungsoffensiven lösen da wenig. Es braucht einen Systemwandel, eine andere Altenpflege, eine in der es Spaß macht zu arbeiten.

3.) Welchen „Nutzen“ bringen die Mobilen Dienste für die Bevölkerung, warum sind sie sowichtig?

Der Nutzen, den die mobilen Dienste der Bevölkerung bringen, ist die Versorgung in den eigenen vier Wänden und damit der längere Verbleib im eigenen Daheim. Allerdings finde ich, dass die mobilen Dienste höheres Potential hätten, würde die Politik ihnen dieses Potential zugestehen.
Würden bei den mobilen Diensten unter anderem auch andere Professionen wie ErgotherapeutInnen, … in den Teams arbeiten, würde es nicht nur um Pflege gehen, sondern vor

allem um Alltagstraining, um Rehabilitation, dann würden die mobilen Dienste auch den Nutzen bringen, Pflegebedürftigkeit zu verhindern bzw. Selbständigkeit wieder zu erlangen. Mir geht es in der Altenpflege grundsätzlich viel zu viel nur um Pflege.

4.) Wo sehen Sie die größten Probleme für MitarbeiterInnen?

Altenpflege ist am Weg zur Massenabfertigung zu verkommen. Das ist das größte Problem der MitarbeiterInnen. Der Blick in die Pflegezukunft ist derzeit nicht erbaulich.

5.) WelcheWegekönnenSiedenKollegInnenanbieten,ummitdenemotionalenBelastungen und Herausforderungen im Pflegedienst und speziell in den Mobilen Diensten fertig zu werden?

Kommt drauf an, wie Sie diese Frage verstehen. Sie klingt ein wenig nach: Was kann man tun, damit die Pflegekräfte den enormen Druck und die Fließbandpflege besser verkraften? Darauf gebe ich keine Antwort. Geben Sie Pflegepersonen Rahmenbedingungen, die ihnen ermöglichen Pflegearbeit umfassend, also bio-psycho-sozial zu leisten, geben Sie ihnen dazu ausreichend Schulungen, Supervisionen und vor allem Anerkennung, und Belastungen können getragen werden.

6.) PflegederZukunft.WiesiehtdieausIhrerSichtaus?

Pflege wird ein Beruf der Zukunft werden. Die Personalnot wird so groß sein, dass sich jede Pflegeperson in Zukunft den Arbeitsplatz aussuchen wird können.
Außerdem werden sich die pflegebedürftigen Menschen der Zukunft verändern, es kommen die Babyboomer in die Jahre und die haben schon einmal die Welt verändert. Dieser Druck und die neuen Erwartungen werden zu einer bunteren Pflegeszene führen, zu einem Wettbewerb der Pflegeorganisationen und zu einem Wandel des Pflegesystems. Es wird wieder menschlicher werden.

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